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Jörg Bieri20. September 20225 min read

Digitalisierung - The Good, the Bad and the Ugly

Nach all den Jahren der Digitalisierung ist es an der Zeit, die Lehren aus den zahlreichen Vorhaben, welche wir als GARAIO bei unseren Kunden durchführen durften, zu ziehen. In diesem Blogbeitrag analysiere ich unsere Projekte und stelle fest, warum sie erfolgreich waren oder gescheitert sind. 

Wie schon im gleichnamigen Film möchte ich diese Analyse in drei Bereich einteilen: The good, the bad and the ugly. 

Konklusion 

Bevor wir die einzelnen Projekte anschauen, wollen wir die Konklusion gleich vorwegnehmen: 

Wir konnten feststellen, dass für eine nachhaltig erfolgreiche Umsetzung einer Digitalisierungsstrategie die folgenden Faktoren relevant sind: 

1. Vision 

Einem Digitalisierungsprozess sollte immer eine Vision zugrunde liegen. Digitalisierung nur um der Digitalisierung willen macht keinen Sinn und wird von den Mitarbeitenden auch nicht getragen.

2. Management Support 

Ohne Support von "ganz oben" wird es nie möglich sein, ein Unternehmen zu digitalisieren. Ich möchte an dieser Stelle noch weiter gehen und festhalten, dass bei erfolgreichen Vorhaben die Initiative von der Geschäftsleitung oder vom Verwaltungsrat ausging!

3. Agilität, Mut und XMV 

Unterteilen Sie das Digitalisierungsvorhaben in kleine verdaubare Einheiten und setzen Sie diese agil in enger Zusammenarbeit mit den betroffenen den Mitarbeitenden um. Die Lösungen müssen keineswegs perfekt sein und auch der gesunde Menschenverstand (XMV) darf nicht zu kurz kommen. Prozesslücken werden immer wieder gerne als Entschuldigung zum nicht digitalisieren verwendet, sind aber in der Realität gar nicht so schlimm.

4. Kein IT-only Vorhaben 

Digitalisierung ist kein Vorhaben, welches von der IT alleine voran getrieben werden sollte. Involvieren Sie die betroffenen Mitarbeitenden so stark und früh wie möglich und erhöhen Sie dadurch die Erfolgschancen. Vertrauen in Menschen ist der Schlüssel zum Erfolg! Oft können aber auch versteckte Widerstände vorliegen, welche erst sehr spät herausgefunden werden und somit ein grosses Risiko für den Erfolg darstellen.  

5. Ökosysteme 

Denken Sie bei der Digitalisierung in Ökosystemen. Wie werden Kunden, Partner oder Mitarbeitende in den Prozess eingebunden? Welches System können in die Lösung eingebunden werden respektive wie können Sie bestehende Systeme öffnen?

Nun ist es an der Zeit, konkrete Projekte zu analysieren und so die oben genannten Erfolgsfaktoren zu validieren:

The Good  

Die Geschäftsleitung eines grossen bundesnahen Kunden im Raum Bern hatte die Vision, den gesamten Kernprozess papierlos zu gestalten. Der dadurch gewonnene Platz sollte für neue Büroräumlichkeiten genutzt werden. Dabei sollte die bestehende Organisation nicht sofort angepasst und die bestehenden Systeme (SAP) weiterverwendet respektive besser in den Prozess eingebunden werden. 

Das Vorhaben wurde in mehrere Phasen unterteilt und lief über mehrere Jahre. 

  • Phase 1: Digitalisieren aller Interaktionen nach Aussen und nach Innen und somit digitalisieren aller papierbasierte Prozessschritte. 
  • Phase 2: Digitale Anbindung aller Partner im Ökosystem an die Prozesse des Kunden mittels einer Portallösung. 
  • Phase 3: Organisatorische Anpassungen und Abschluss der Digitalisierung. 

Um keine Mitarbeitenden auf der Digitalisierungsreise zu verlieren, wurde bewusst auf einen Big Bang Ansatz verzichtet, sondern die Neuerungen in kleine Häppchen verteilt eingeführt. 

Weshalb ist das ein gutes Beispiel? 

  • Die Initiative kam direkt aus der GL und wurde von der gesamten Führungscrew unterstützt und mitgetragen. 
  • Alle Mitarbeitenden wurden aktiv in den Digitalisierungsprozess integriert. 
  • Von Anfang an wurde eine klare Vision formuliert. Alle Vorhaben wurden dieser Vision unterstellt. 
  • Von Seiten des Kunden war die Bereitschaft vorhanden, auch bestehende Prozesse kritisch zu hinterfragen und bei Bedarf anzupassen. 
  • Die Umsetzung des Digitalisierungsvorhabens wurden in einem dedizierten Team mit eigenem Budget vorangetrieben. 
  • Die Umsetzung geschah agil, man arbeitete Schritt für Schritt.

The Good 2 

Ein weiteres sehr gelungenes Beispiel ist das Digitalisierungsvorhaben einer grossen Versicherung. 

Ziel war es, die Backendsysteme vollständig von den Front End Lösungen zu entkoppeln, um so eine Architektur zu schaffen, in welcher Prozesse von und zu den Kunden digitalisiert und neue Businessmodelle umgesetzt werden können. 

Als Architektur wurde MACH verwendet, dessen Aufbau ich bereits in diesem Artikel beschrieben habe.

Gerne verweise ich an dieser Stelle auch auf ein Webinar, welches wir zum Thema Ökosysteme durchgeführt haben.

Ich erachte dieses Beispiel aus den folgenden Gründen als "good": 

  • Die Initiative zur Digitalisierung ging klar von der Geschäftsleitung aus. Die Digitalisierung wurde ein fester Bestandteil der DNA . 
  • Auch hier war von Anfang an eine klare Vision vorhanden. 
  • Der erste Digitalisierungsschritt legte die Basis für neue Geschäftsfelder. 
  • Mut zur Veränderung war von Anfang an vorhanden. 
  • Auch hier geschah die Umsetzung agil mit einem dedizierten Team und einem dedizierten Budget. 

The Bad 

Für die interdisziplinäre Abklärung von Tumorfällen durften wir für eine Klinik eines grossen Spitals das Tumorboard umsetzen. Darin werden die niedergelassenen Ärzte direkt an das Spital angebunden. Fälle können so ohne administrative Hürden sehr schnell besprochen werden, was sich positiv auf die Behandlung der Patienten und deren Zufriedenheit auswirkt. 

Generell beurteile ich die Lösung als sehr gutes Beispiel eines Digitalisierungsvorhabens, welches mit einer klaren Vision der Klinikleitung initiiert und umgesetzt wurde. 

Trotzdem gibt es einige Punkte, welche das Projekt im Bereich "bad" ansiedeln: 

  • Das Vorhaben wurde nur für eine Klinik spezifisch umgesetzt. Das führt dazu, dass weitere Kliniken mit ähnlichen Problemen nicht an der Lösung partizipieren können. Der Nutzen beschränkt sich somit nur auf einen Teil des Spitals.
  • In der Tendenz führen solche Lösungen zu einer Schatten-IT, welche nicht durch die reguläre IT betrieben wird. Die kann vielfach auch durch die Abwehrhaltung der IT respektive der GL ausgelöst werden. Schattenprojekte müssten wenn immer möglich verhindert werden.

The Ugly 

Die Konzernleitung eines grossen Schweizer Unternehmens hatte sich entschieden, ihre Sitzungen elektronisch durchzuführen. Dabei sollte die Administration und Abwicklung der wöchentlichen Sitzung vollständig papierlos geschehen. 

Das Projekt sollte alle bestehenden Stakeholder mit einbeziehen und wurde von der Konzernleitung unterstützt. 

Die Idee hinter dem Vorhaben finden wir sehr gut, aber während der Durchführung gab es doch einige Entscheide, welche mich veranlassen, diese Lösung in der Kategorie "ugly" aufzuführen: 

  • Die bestehenden Prozesse wurden nicht hinterfragt, sondern 1:1 umgesetzt. Das führte zu einer sehr komplexen Lösung mit sehr vielen Spezialfällen. 
  • Die Lösung wurde zwar auf oberster Stufe initiiert, aber nicht von allen Führungspersonen getragen. Es ergab sich ein versteckter Widerstand, welcher heute zur Folge hat, dass die Lösung auch nicht richtig verwendet wird. 
  • Leider war auch die IT nicht bereit für ein agiles Vorgehen und pochte auf die Einhaltung ihrer Prozesse respektive versteckte sich hinter diesen, was natürlich zu Verzögerungen und Komplikationen führte.

Schlusswort 

Ich bin überzeugt, dass die oben genannten Erfolgsfaktoren und hier insbesondere die Unterstützung durch die Führungscrew ein Digitalisierungsvorhaben immer zum Erfolg führen. Sind aber insbesondere auf der Führungsstufe (versteckte) Widerstände vorhanden, so ist ein Misserfolg schon fast vorprogrammiert.

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Jörg Bieri

Chief Technology Officer, Mitglied der Geschäftsleitung
joerg.bieri@garaio.com
+41 58 310 70 60

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