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Adrian Rieder04. März 20216 min read

Das Intranet ist tot! Lang lebe die Employee Experience Platform!

Ist die Employee Experience Platform der nächste, lang ersehnte Evolutionsschritt des Intranets?

«Microsoft stellt neue Employee Experience Platform Microsoft Viva vor» mit dieser Meldung scheint das unvermeidliche Ende des Intranets, wie wir es kennen, mal wieder zum Greifen nahe. Ist dem wirklich so? Hatten wir das nicht schon? Bekanntlich leben Totgesagte ja ohnehin länger. Aber versuchen wir, der Sache doch mal etwas auf den Grund zu gehen.

Microsoft bläst  zwar kommunikativ nicht explizit in dieses Horn. Aber mit ihrem Ansatz der zentralen Integration, der in den Unternehmen vorhandenen fragmentierten Tools rund um diesen Themenkomplex, ist diese Stossrichtung augenscheinlich. Dies unterstreicht auch die Etablierung von Teams als zentrales Eintrittstor für alle Mitarbeitenden, in welchem sämtliche Kommunikations-, Informations- und Zusammenarbeitsszenarien integriert und konsolidiert sind. Nun soll unter dem Schlagwort «Employee Experience Platform» ein noch klarerer und umfassenderer Fokus auf die Mitarbeitenden und deren Bedürfnisse gelegt werden. Wohl nicht zuletzt aus den Erfahrungen der Pandemie und der sich ändernden Art und Weise, wie Menschen arbeiten und ins Unternehmen eingebunden werden. Ist das Intranet also doch nicht tot, sondern eher neugeboren?

Schon der Begriff «Intranet» ist mehr als diffus. Die Konsultation bei Wikipedia bestätigt dies. «Ein Intranet ist ein Rechnernetz, das im Gegensatz zum Internet unabhängig vom öffentlichen Netz benutzt werden kann, nicht öffentlich zugänglich ist und andere, zusätzliche oder eingeschränkte Funktionen bietet.» Diese eher technisch-abstrakte Definition widerspiegelt das oft gehörte Verständnis und darauf basierend den Stellenwert dieses Mediums. Mit diesem Hintergrund ist es nicht erstaunlich, dass Intranet-Vorhaben nach wie vor oft aus der IT-Abteilung initialisiert werden und ihre Owner respektive das Sponsorship selten im Business vorzufinden sind. Intranet-Vorhaben bieten zudem oft kaum echten, messbaren Mehrwert, beruhen auf eher dubiosen ROI Berechnungen («wir sparen Zeit beim Suchen von Informationen») und werden daher sowohl in deren Priorität wie auch punkto Budget immer zweitrangig behandelt.

Employees First

Sind es unsere Mitarbeitenden nicht wert, ähnlich ernstgenommen zu werden wie unsere Kunden? Für diese investieren wir nämlich massenweise Geld in neue Plattformen. Wir analysieren die Journey unserer Kunden bis ins kleinste Detail , wollen sie  dabei gezielt bei ihrem Bedürfnis abholen, ihnen ein One-Stop-Shopping Erlebnis ohne Hindernisse bieten und setzen alles daran, eine durchgängige Customer Experience bieten zu können.

Wer stellt aber schlussendlich diese Customer Experience sicher? Wer steht für uns an vorderster Front beim täglichen «Kampf um Kunden»? Unsere Mitarbeitenden! Ist es also nicht an der Zeit, diese auf die gleiche oder sogar auf eine höhere Stufe zu stellen? Müsste dies in Zeiten, in welchen ein «War for talents» herrscht, nicht schon lange erkannt worden sein? Hat nicht gerade die aktuell herrschende Pandemie aufgezeigt, dass es mehr braucht als einen motivierten HR-Verantwortlichen, der sich beherzt um die Mitarbeitenden kümmert? Ist der Anspruch unserer Mitarbeitenden heutzutage nicht ein völlig anderer als noch vor einigen Jahren? Alle diese Fragen sind klar zu bejahen! Es ist an der Zeit, das vielerorts beliebte Lippenbekenntnis «unsere Mitarbeitenden sind unsere wichtigsten Assets», endlich in spürbare Taten  umzusetzen.

Accenture hat bereits vor geraumer Zeit in der Technology Vision 2016 den Terminus "People First" geprägt und damit nicht hauptsächlich den Kunden, sondern vor allem den Mitarbeitenden gemeint: «Nur diejenigen Unternehmen werden die Chancen der Digitalisierung vollständig nutzen können, welche ihre Mitarbeiter befähigen, sich dauerhaft weiterzubilden, um mehr mit digitalen Technologien zu erreichen und bessere Ergebnisse zu erzielen.» Diesem Statement ist voll und ganz zuzustimmen! Die Ankündigung von Microsoft war demzufolge längst überfällig. Es ist höchste Zeit, dieses Umdenken anzustossen und das klassische Intranet und sein verstaubtes Verständnis in Richtung Employee Experience Platform zu hieven.

Der richtige Sponsor ist wichtig

Ein wichtiger erster Schritt besteht darin, das Thema am richtigen Ort aufzuhängen. Bis heute existieren vielerorts keine wirklichen CHRO’s (Chief Human Resources Officer) in der Geschäftsleitung, die das Thema in seiner umfassenden Form erkennen und mit dem dazu erforderlichen Auftrag, Budget und Kompetenzen ausgestattet sind. Da scheint der Lead zwischenzeitlich beim CEO richtig zu sein. Dies auch, weil es wichtige Führungsaspekte beinhaltet. Da geht es nicht zuletzt um Aspekte wie Performance, Goals, Coaching, Learning, aber auch Feedback und Recognition. Mittlerweile haben wir, als eine der wenigen positiven Nebenwirkungen der Pandemie, eine weitere Feststellung gemacht: Es ist an der Zeit, dass auch das Management mit seinen Führungsmethoden dem digitalen Zeitalter gerecht wird. «Management by walking around» funktioniert nur bedingt, wenn die Mitarbeitenden im Home-Office sitzen. Hier sind neue Ansätze, eine neue Führungs-Kultur und neue Methoden gefragt. Auch das sind Teile einer umfassenden Employee Experience, welche mit sinnvollen Tools unterstützt werden sollten. 

Die Arbeitsmodelle haben sich gewandelt

Dieser Schritt  wird noch dringlicher, da sich auch auf Seiten des Mitarbeitenden die Ansprüche markant verändert haben. Vorbei sind die Zeiten, in welchen Karriere und Lohn zweidimensional optimiert wurden. Es hat, nicht nur bei den Digital Natives, eine signifikante Verschiebung der herkömmlichen Ziele stattgefunden. Heute beschäftigen wir uns mit einem mehrdimensionalen Zielbild von Lohn, Karriere, mentaler und physischer Gesundheit, Freizeit, Selbstverwirklichung und Spass an der Arbeit.

Auch die Loyalität zu einem Arbeitgeber und die damit verbundene Beschäftigungsjahre eines Mitarbeitenden lassen sich mittlerweile an einer Hand abzählen. Dies hat den Effekt, dass durch die erhöhte Fluktuation Onboarding-Prozesse zum Dauerzustand werden. Im Zeitalter des «War for talents» bewerben sich zukünftige Mitarbeitende mit einer klaren Erwartung eines erweiterten Serviceangebotes seitens des Arbeitgebers. Die Komplexität steigert sich zudem, da durch den Wandel der Arbeitswelt hin zu hybriden Arbeitsmodellen die Grenzen zwischen Beruf und Privatleben verschwimmen. Das Wohlbefinden des Einzelnen wird plötzlich relevant für die Unternehmenskultur. Die Betreuung wird immer anspruchsvoller und erfordert gleichsam eine 360° Betrachtung. So wie die physischen Grenzen zwischen Office und Remote Work schwinden, so verwischen auch zunehmend die Grenzen zwischen Geschäft und Privat. Alle diese Fakten zeigen: HR-Management war auch schon einfacher!

Neues Service Delivery Modell

Gemäss Josh Bersin ist die Basis dieser Überlegungen dabei ein geändertes Service Delivery Modell. Weg vom «Center of Excellence» oder «Service Center», welche die Dienstleistungen für die Mitarbeitenden zusammengestellt und angeboten haben, hin zu Plattformen, bei welchen die Employee Journeys automatisiert und instrumentiert aufbereitet werden. Das HR ist der Master der Employee Experience und das Service Center wird zu einer multifunktionalen und interdisziplinären Plattform. Dabei werden die für die Mitarbeitenden relevanten Themen mit Lösungen aus anderen Bereichen wie IT (zum Beispiel Support-Systeme, Bots, Prozess-Tools) oder Finance (beispielsweise Lohn-, Leistungserfassungs- und Abrechnungsysteme) verknüpft. Aber auch Lösungen von externen Partnern (Ausbildner, Recruiter) können darin gekoppelt werden.

So entsteht eine Employee Experience mit dem HR als Koordinator von verschiedenen Partnern und Vermittlern. Entscheidend ist dabei, dass der Mitarbeitende den Service während seiner gesamten Journey und nicht nur während einer einzelnen Transaktion erlebt. 

Zukunft - Employee Experience Platform?

Dies geschieht idealerweise auf einer Plattform, die einen zentralen Zugang bietet und diese Anforderungen vereint. Der Weg geht in Richtung Platform Economy. Die Stichworte dazu sind Zusammenschaltung (Interconnection) und Ökosystem. Analog zu den Plattform-Ökosystemen der globalen Player wie Google, Apple, Facebook, Uber and Airbnb in den B2C-Märkten soll hier ähnliches im Company to Employee Kontext resultieren. Das Ziel dabei ist, eine effektive und spürbare Experience auf der Ebene des Mitarbeitenden als Konsument zu schaffen.

Zusammenfassend können wir also festhalten, dass sich Employee Experience als die Summe all dieser oben geschilderten Herausforderungen versteht. Diese sind nicht allesamt neu, sollen aber mit klarem Fokus auf die Mitarbeitenden adressiert, strategisch positioniert und mit Hilfe einer leistungsfähigen Plattform konzertiert und zentral bereitgestellt werden – idealerweise orchestriert durch das HR – so, dass die einzelnen Themen rund um den Employee darin stattfinden und ihre Wirkung entfalten können. Auf einer solchen Grundlage wird im Endeffekt auch ein griffigere ROI-Argumentation möglich sein.

Viva

Microsoft legt mit der Employee Experience Platform Viva auf Basis von Teams, M365, Power Plattform und Azure nun einen ersten Baustein für eine Entwicklung in diese Richtung. Der Ansatz scheint vielversprechend (auch wenn der Weg noch weit ist), bietet doch der Microsoft Cloud Stack mit Teams als bereits etablierter, zentraler Einstiegspunkt der Mitarbeitenden und den Integrations- und Anbindungsmöglichkeiten von Fremdlösungen beste Voraussetzung für ein solches digitales Ökosystem.  

Wenn wir uns dieses Gesamtbild vor das geistige Auge malen, ja, dann ist das uns bekannte Intranet wahrlich gestorben.

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Adrian Rieder

Head of GARAIO Zürich, Partner
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