Als Change Manager bin ich regelmässig mit Menschen konfrontiert, die nicht von unserem Projekt überzeugt und Veränderungen gegenüber skeptisch sind. Hier teile ich einige Tipps, wie man mit diesen Widerständen umgehen kann und warum diese sogar förderlich sind.
Bei jedem Projekt kommt es zu Veränderungen. Je grösser der Einschnitt in bestehende Prozesse, zementierte Strukturen oder in die Unternehmenskultur, desto mehr ist mit Widerstand zu rechnen. Widerstand ist oft der natürliche Reflex des Menschen auf Veränderungen. Widerstand ist nicht per se schlecht, sondern schützt Teams und Organisationen vor Überforderung und unsinnigen oder sogar schädlichen Veränderungen. Denn eine Veränderung muss nicht zwingend eine Verbesserung sein. Widerstand dient daher dem Schutz und der Überlebensfähigkeit eines bestehenden Organismus.
Das klingt ja alles schön und gut. Doch als Change Manager hilft mir diese Erkenntnis nicht weiter, denn ich habe den Auftrag, diesen Organismus in einen neuen Ziel-Zustand zu bringen.
Wer leistet Widerstand? Und warum?
Nun leistet glücklicherweise nicht jeder Widerstand. Es gibt immer auch die vorwärts gerichteten Menschen, welche den Wandel begrüssen und unterstützen. Hier haben wir Change Manager ein leichtes Spiel. Sind das nun die «Guten» und die anderen hingegen sind die «Bösen»? Nicht zwingend. Man könnte auch sagen, sie seien lediglich zufrieden mit dem aktuellen Zustand (aus Machtgründen?), hätten sich zu wenig kritisch mit den Neuerungen auseinandergesetzt oder brauchen den Wandel selbst, weil sie Stillstand mit Rückschritt gleichsetzen. Es ist also nicht ganz so einfach. Tatsächlich hilft uns diese Gruppe, unsere Ziele zu erreichen, egal aus welcher Motivation sie den Wandel begrüssen. Idealerweise folgen sie unserer Vision und sind überzeugt, dass das zu erreichende Zielszenario den Organismus in einen besseren Zustand versetzen wird. Heile Welt!
Wie verhalten wir uns nun aber gegenüber denjenigen, die diese Vision nicht teilen und wenig Lust verspüren, den Wandel mitzugehen? Es ist ja nicht zwingend so, dass wir diese Personen kennen. Widerstand äussert sich bekanntlich in sehr unterschiedlichen Formen: Von der lautstarken Gegenargumentation, Vorwürfen und Drohungen, über Bagatellisieren, Schweigen oder Aussagen ins Lächerliche ziehen. Widerstand hat viele Erscheinungsformen. Die eigentliche Botschaft ist meist verschlüsselt.
Dazu kommt ein weiterer zentraler Punkt: Widerstand hat unterschiedliche Ursachen und ist oft stark emotional besetzt. Einer der Hauptgründe sind Ängste der Betroffenen. Können diese Ängste nicht adressiert werden, wird der Wandel kaum unterstützt. Je tiefer der Wandel bei Maslows Bedürfnispyramide einschlägt, desto grösser sind die Ängste und desto härter der Widerstand.
Im Endeffekt zeigt Widerstand aber zumindest Betroffenheit der Beteiligten und damit auch ein gewisses Interesse, mit dem wir arbeiten können. Bleibt bei einem Vorhaben der Widerstand generell aus, so ist das Anlass zu grosser Beunruhigung!
Gemäss dem bekannten Autoren und Philosophen Reinhard K. Sprenger (Mythos Motivation - Wege aus einer Sackgasse) dürfen wir von einem positiven Menschenbild ausgehen. Der Mensch ist mit einer angeborenen Funktionslust und Neugieraktivität ausgestattet. Wir wollen also (von uns aus), sind grundsätzlich (intrinsisch) motiviert. Die Kunst ist also das Vermeiden von Demotivation. Wir müssen aufmerksam sein für die vielen demotivierenden Faktoren, welche die Leistungsbereitschaft des Mitarbeitenden behindern. Genau diese gilt es zu identifizieren.
Und zu guter Letzt: Die wirksamsten Katalysatoren des Wandels, aber eben auch die Verhinderer von Veränderung, finden sich meist nicht unter den Mitarbeitenden, sondern unter Führungskräften: Machtkämpfe verhindern das Vorwärtskommen im Veränderungsprozess. Angst um Machtverlust befeuert Konflikte.
Was können wir tun?
Wir müssen als Erstes herausfinden, wo es Widerstand gibt.
In der Praxis hat sich gezeigt, dass es ein sinnvoller Ansatz ist, den Change «sichtbar» zu machen. Wir können dazu Stakeholder-Analysen, Betroffenheits-Analysen (Impact), Macht-Diagramme (Sponsor Coalition Assessments) oder ähnliche Werkzeuge nutzen. Diese zeigen uns auf, wer uns unterstützend gesinnt ist und wer eben nicht.
Je nach Firmenkultur hilft es, dazu offene Gefässe zu schaffen, in welchen die betroffenen Mitarbeitenden zu Wort kommen können. Dies sind beispielsweise Foren oder Teams, interne soziale Netzwerke oder auch Kommentarfunktionen zu News und Informationen auf dem Intranet. Je mehr Interaktion und Feedback, desto besser. Ein Teil des Widerstandes zeigt sich erfahrungsgemäss in Kommentaren und Reaktionen.
Hier setzen wir an: Wir schaffen Raum für Widerstand und treten in den direkten Dialog, erforschen Ursachen, veranstalten gemeinsame Workshops, beteiligen die Betroffenen, diskutieren Verhandelbares und legen in gemeinsamen Absprachen das Vorgehen gegebenenfalls neu fest.
Klare Verortung des Widerstandes – ein heisses Eisen!
Am Ende des Tages werden wir damit Teile des Widerstandes klar verorten können. Wir führen Listen mit Stakeholdergruppen, aber auch mit Mitarbeitenden und ihren konkreten Ängsten, Sorgen und Widerständen. Diese Listen nennen wir «Widerstands-Management -Listen» oder «People Management Listen».
Obwohl diese Listen nicht öffentlich zugänglich sind, sehen wir uns oft mit dem Vorwurf des «Fichen»- oder «Schwarze-Liste» Führens konfrontiert. Das geht nicht! Das entspricht nicht der Firmenkultur. Aber steckt da wirklich eine negative Denkhaltung dahinter?
Natürlich sind namentliche Vermerke immer heikel und können falsch ausgelegt werden. Wer will schon seinen Namen auf einer Widerstandsliste rot markiert sehen? Aber am Ende des Tages wollen und müssen wir das Kind beim Namen nennen, um den Widerstand effektiv adressieren zu können. In der konkreten Ausgestaltung der Massnahmen stellen Einzelgespräche ohnehin die punktuelle Ausnahme dar, da eine flächendeckende Durchführung viel zu aufwändig ist. In der Regel wird versucht, via Stakeholder-Gruppen ausreichende Wirkung zu erzielen.
Im Übrigen: Jeder und jede Vorgesetzte führt Listen seiner Leute zur Mitarbeiterbeurteilung. Hier werden Schwächen und Stärken dokumentiert, welche es zu adressieren und entwickeln gilt. Das ist ein etabliertes Instrument und wird nicht in einem negativen Kontext gesehen. Die Mitarbeitenden, welche Widerstand zeigen, sind nicht per se Querulanten oder Verhinderer (natürlich können sie das auch sein), sondern wir haben es lediglich noch nicht geschafft, sie von unserer Vision zu überzeugen, ihnen die Ängste vor dem Wandel zu nehmen und sie zum Mitmachen zu bewegen.
Deshalb sind auch diese Massnahmen nichts anderes als aktive, zielgerichtete Mitarbeiterentwicklung!
Ja, ich will – und ich weiss warum!
Im Idealfall sind dies die magischen Worte, welche wir von allen Beteiligten hören wollen und den Buy-In zum Change jedes Einzelnen oder zumindest der kritischen Masse zeigen. Dazu braucht es aber mehr als nur Widerstandsmanagement. Der Change beginnt schon viel früher im Prozess. Mit der Formulierung einer klaren und verständlichen Vision legen wir die unverzichtbare Grundlage. Dazu schaffen wir transparente Abläufe und Prozesse, kommunizieren regelmässig und offen und bieten ausreichend Partizipationsmöglichkeiten am Veränderungsprozess.
Das «Warum» des Change muss also für jeden klar sein. Die Betroffenen müssen eindeutig verstehen, wieso die Veränderung erfolgen soll. Und zwar jeder! Dies nicht zu verstehen ist eine der häufigsten Ursachen für Widerstand. Ist der Punkt mal vom Tisch, wurde eine wichtige Etappe in Richtung Ziel-Zustand erreicht!